Bühlertal. Simon Kist wusste, was zu machen ist. Seine vorübergehende Freistellung als Dirigent der Bühlert.ler Musikanten war indes zeitlich überschaubar. Die Übergabe des Dirigentenstabes an den neuen Bürgermeister Urs Kramer (parteilos) tat denn auch der Qualität des musikalischen Vortrags keinen Abbruch. Beschwingt, mit hohem Spaßfaktor und in fast schon souveräner Maestro-Geste entlockte der athletisch wirkende 45- Jährige dem Klangkörper die für einen solchen Anlass typischen Töne des Badnerlieds. Aufbruchstimmung lag im Haus des Gastes in der Luft. Und die Fanmeile war im Land der Fußball-Europameisterschaft bestens frequentiert. Ein Fest der Bürgergesellschaft und ein lockeres Stelldichein der mittelbadischen Kommunal- und Regionalpolitiker.
Der gepflegten Kommunikation über Partei-, Alters- und Gemeindegrenzen hinweg galt das Dreifachhoch. Auch Jürgen Bäuerle (CDU) genoss dieses Klima sichtlich. Er, das ehemalige Ortsoberhaupt der Talgemeinde (1992–2005), danach bis 2019 Landrat im Landkreis Rastatt und aktuell der einzige Ehrenbürger Bühlertals, hatte jede Menge Vorschusslorbeeren für den neuen Rathaus-Spielführer im Trikotkoffer. Als dessen Qualitäten schätzt er: Kompetenz, Engagement, Verantwortungsbewusstsein und Authentizität. Was Bäuerle ebenfalls erwartet: Eine fruchtvolle Zusammenarbeit mit den Vereinen und ein klares Bekenntnis für das Seniorenzentrum als Eigenbetrieb der Gemeinde. Stark vertreten war auch der Nachbarort Altschweier. Dort nämlich wohnt der gebürtige Bühlertäler Kramer. Seine Lebenspartnerin Jana Ritter ist sozusagen die „rechte Hand“ von Ortsvorsteher Manfred Müller (CDU). Mehr noch: „Sie ist die gute Seele der Ortsverwaltung.“ Dem neuen Rathauschef attestiert er absolute Offensivqualitäten: „Er weiß, wo es klemmt und wo es langgeht!“ In Altschweier wohnhaft ist auch Bühls Oberbürgermeister Hubert Schnurr (FW). Er sprach von einem „guten Tag für Bühlertal“ und freute sich, dass in der Nachbargemeinde erneut ein „Verwaltungsfachmann“ ins Rathaus einzieht. Persönlich habe er ihn erst am Wahlsonntag kennengelernt. Vertiefen wolle er den Kontakt mit ihm zum 75. Bühler Zwetschgenfest. Seine Empfehlung: „Jenes Wochenende freihalten und den Tag danach am besten auch.“ Familiär tief verwurzelt mit beiden Wohngemeinden ist Jürgen Pfetzer (CDU). Der Ottersweierer Bürgermeister ist so etwas wie ein Multikulti. In Bühlertal ist er geboren, von wo auch die Mutter stammt, während der Vater in Altschweier aufwuchs. Aber auch kommunalpolitisch bestünden „enge Verbindungen“, die es zu pflegen und auszubauen gelte. Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Ganter wurde ein „Wunschergebnis“ Realität, weil es die Weiterführung einer soliden Kommunalpolitik ermögliche. Sein CDU-Kollege Volker Blum erwartet ebenfalls eine „konstruktive Zusammenarbeit“. Kernthemen für die Bürger sind, wie die Bürgerreaktionen zeigten, die Sanierung des 78 Kilometer weit verzweigten Straßennetzes und die Zukunftssicherung des Seniorenzentrums. Das ist auch ein Anliegen von Ilse Kohler („Marokko- Hilfe“). Zwei Wahlveranstaltungen von Urs Kramer hat sie besucht. Ihr Eindruck: „Er ist von allen Bewerbern der Kompetenteste. Ich bin überzeugt von ihm.“ Jürgen Frey, Vorsitzender des Sportausschusses, erwartet eine Reaktivierung der Turnhalle im Untertal und eine bessere Verkehrsinfrastruktur zum Mittelberg-Sportzentrum. Der noch amtierende, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr operativ agierende Bürgermeister Hans-Peter Braun (CDU) freute sich, dass sich die Bürger für ein Ortsoberhaupt mit Verwaltungserfahrung entschieden haben: „Das ist gut so!“ Ein breiteres Bewerberfeld hätte er sich gewünscht. Bei seiner ersten Kandidatur 2005 seien es zwölf Bewerber gewesen, 2008 immerhin noch vier.
Am Montagmittag dann ein weiterer genussreicher Auftritt für Urs Kramer. Er durfte nicht zur Stimmgabel greifen, sondern bei Dauerregen das Stellen des traditionellen Bürgermeister-Maien auf dem Parkplatz gegenüber dem Haus des Gastes verfolgen. Dazu hatten Mitarbeiter des Bauhofs und Forstabteilung am Morgen die Motorsäge angeworfen und im Distrikt Schartenberg eine 15 Meter hohe und rund 25 Jahre alte Weißtanne geschlagen. Hauptamtsleiter Markus Brügel, der als stellvertretender Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses einen souveränen Job erledigte, kündigte die Aufnahme der Amtsgeschäfte durch Urs Kramer für Sonntag, den 1. September, an. Für den neuen Bürgermeister ein relativ schmerzfreies Datum: „Als Beamter fängt man nicht an einem Sonntag mit der Arbeit an.“ An diesem Dienstag aber ruft wieder die Arbeit im Landratsamt Offenburg.
Von Gerold Hammes